Quartetto furioso: Lysios Quartett begeistert das Werner Publikum
Werne. „Brahms – das ist jetzt aber nicht wirklich modern?“ fragte eine Zuhörerin kurz vor Beginn des ersten Konzerts der Gesellschaft der Musikfreunde am vergangenen Donnerstag etwas besorgt. Eingeladen war das junge Lysios-Quartett, bestehend aus Jeongyoon Kim und Grigori Ambartsumian, Violine, Hyunil Yang, Viola, und Vera Nebylova, Violoncello.
Das Quartett ist Preisträger der Werner Richard-Dr. Carl Dörken Stiftung und besteht erst seit 2022. Wie modern die Gattung Streichquartett daherkommen kann, zeigten die jungen Musiker in diesem ersten Konzertabend äußerst überzeugend, als sie das Publikum mit auf eine Zeitreise nahmen.
Mit Brahms‘ Streichquartett op.51/1 in c-Moll eröffnete das Ensemble den Konzertabend sehr klassisch. Johannes Brahms wagte sich erst mit vierzig an die Komposition seiner ersten beiden Quartette, so groß war der Respekt vor seinen Vorgängern Haydn, Beethoven, Schubert. Er legte ein Werk vor, das die Grenzen der Gattung sprengt. Technische und klangliche Schwierigkeiten sind enorm, der Spannungsbogen muss über die Dauer von vier Sätzen über vierzig Minuten gehalten werden. Es darf kein Nachlassen in der Intensität des Spiels geben, keine Ruhepausen.
So ist das Quartett auch für den Zuhörer alles andere als ‚leichte Kost‘. Fünfzig Jahre später nahm Arnold Schönberg Brahms‘ erstes Quartett zum Ausgangspunkt, den Bogen zu seiner eigenen Musik zu spannen und bescheinigte ihm größte Modernität. Dem jungen Ensemble gelang es sehr überzeugend, alle diese Schwierigkeiten zu meistern und die Zuhörer mit Spielfreude, klanglicher Sensibilität und perfektem Zusammenspiel in seinen Bann zu ziehen. Das Publikum bedankte sich mit stürmischem Applaus schon zur Pause.
Nach der Pause dann Mozarts ‚Jagdquartett‘: In der Bläsertonart B-Dur geschrieben, imitiert der erste Satz Hornfanfaren – daher der Beiname. Auch hier bewiesen die vier jungen Musiker wieder gut gelaunt und vergnügt ihre klangliche Raffinesse und ihr perfektes Zusammenspiel, nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar in der Kommunikation vor allem zwischen den beiden Geigern. Für die anwesenden Gäste schafften sie eine Wohlfühlatmosphäre.
Zum Abschluss noch ein Jagdquartett, und der Sprung in die Moderne: Für Jörg Widmann, geboren 1973, seines Zeichens sowohl Klarinettist als auch Komponist und derzeit als Professor für Komposition an der Barenboim-Said Akademie in Berlin tätig, steht das Streichquartett im Zentrum seines kompositorischen Schaffens. Das Ensemble hatte vor wenigen Monaten die Gelegenheit, mit Jörg Widmann persönlich zu arbeiten. Der Komponist bezieht sich in seinem ‚Jagdquartett‘ nicht auf Mozart, wie der gleiche Titel vermuten lassen könnte. Widmann zitiert Beethoven, genauer gesagt den Anfang des ersten Satzes seiner 7. Sinfonie, und komponiert daraus eine wilde Jagd. Der Rhythmus des Beethoven-Themas wird übernommen – nein, nicht nur von allen vier Instrumenten, sondern auch von stampfenden Füßen. Dazu werden moderne, ungewöhnliche Spieltechniken, wie das ‚Kratzen‘ mit dem Holz des Bogens auf den Saiten, das Spiel hinter dem Steg eingearbeitet (Auch das beherrscht das Quartett meisterhaft!), und nicht zuletzt hören wir laute, bedrohliche Schreie, am Ende ein gellender Schrei der Cellistin: Die drei hohen Streicher haben sich zusammengetan und das Cello ermordet – gottseidank nur im Spiel.
Die Zuhörer der voll besetzten Aula belohnten das junge Lysios-Quartett mit minutenlangen Standing Ovations. Auch nach dem Konzert drehten sich alle Gespräche nur darum, wie eindrucksvoll das gerade erlebte denn war.
Die Konzertreihe der Gesellschaft der Musikfreunde begann mit einem großartigen Abend, der Lust auf die weiteren Konzerte macht.
Es ist die zweite Saison am neuen Spielort in der Aula der Marga-Spiegel-Schule, der sich als großer Gewinn erweist. Der nächste Konzertabend findet statt am 19. Oktober. Es spielt das Duo Hubert Salmhofer, Klarinette, und Elisabeth Väth-Schadler, Klavier. In ihrem Programm „After you, Mr. Goodman“ spielen sie Musik von Benny Goodman bis Leonard Bernstein.
von Redaktion, erschienen bei Werne-Plus am 25.09.2023