Parade-Rollenspiel für ungewöhnliche Besetzung mit dem Quartett Philimaro
Werne. Violine, Klarinette, Violoncello und Klavier: Die Besetzung ist ebenso selten wie klangschön. Das demonstrierte das Quartett Philimaro am Donnerstagabend (21. März 2024) in der Konzertreihe der Musikfreunde Werne.
Im ausverkauften Foyer der Marga-Spiegel-Sekundarschule spielten die jungen Musikerinnen und Musiker unter anderem Werke von Guillaume Connesson, Walter Rabl und Olivier Messiaen.
Ein Zeitgenosse, ein Spätromantiker und ein Kirchenmusiker der Moderne: Connesson (*1970), Rabl (1873–1940) und Messiaen (1908–1992) haben ihre jeweiligen Stücke exakt auf die vier Instrumente zugeschnitten. Und das Quartett brachte die epochalen Unterschiede ebenso zum Klingen wie die verschiedenen Charaktere: den schmerzhaft schönen Geigenton, den einlullenden Sound der Klarinette, das sonore Cello und das pointierte Piano. Linda Guo (Violine), Philipp Epstein (Klarinette), Manuel Lipstein (Cello) und Robbin Reza (Piano) brachten das selbstbewusst zum Ausdruck. Gleichzeitig war das blutjunge Team so eingespielt und achtsam, dass selbst beim orchestralen Forte keiner und keine die anderen übertönte.
Die „Adams Variations“, Guillaume Connessons Hommage an den amerikanischen Komponisten John Adams, war ein ebenso knapper wie leidenschaftlicher Dialog. Die Geige klagt, zerreißt sich beinahe. Cello und Klarinette begehren dagegen auf, das Klavier verbreitete nervöse Unruhe. Schließlich steigern sich grelle Klangfarben zu einem explosiven Finale. Ein ziemlich unbekannter Vertreter der Spätromantik ist Walter Rabl. Als Komponist war der gebürtige Wiener ein Protegé von Johannes Brahms. Da er sich jedoch später entschloss, Dirigent zu werden, sind von ihm nur eine Handvoll Werke überliefert. Darunter das Quartett Es-Dur op.1 für Violine, Klarinette, Cello und Klavier.
Es beginnt, wie man sich Romantik vorstellt: Die Klarinette schmiegt sich in ein lyrisches Motiv, das Klavier übernimmt und schwelgt ebenfalls in dem satten Sujet. Sanglich formulieren es die Streicher, bis ein heftiger, aber kurzer Musiksturm die Idylle unterbricht. Doch sie lebt wieder auf. Rabl überlässt jedem Instrument einen monologischen Part, in dem es sich sozusagen vorstellen kann. Wenn sich das Quartett dann wieder vereint, geschieht dies mit wohldurchdachter Durchhörbarkeit: sacht perlende Klavierklänge über dem warm-weichen Timbre von Cello und Klarinette, dem die Violine eine pikante Note verleiht. Das Andantino weht wie eine sanfte Brise durchs Foyer, das furiose Allegro bietet dem Ensemble Gelegenheit, seine Virtuosität zu beweisen.
Das lautmalende „Quartett für das Ende der Zeit“ von Olivier Messiaen ist ein Parade-Rollenspiel für die Besetzung. Zustande kam das allerdings unter dramatischen Umständen. Als Franzose war Messiaen Anfang der 1940er-Jahre in einem Görlitzer Kriegsgefangenenlager inhaftiert. Das Komponieren war ihm immerhin erlaubt. Mit einem Klarinettisten, einem Cellisten und einem Violinisten bildete der klavierspielende Messiaen ein Ensemble, das in den Lager-Waschräumen probte. Das apokalyptische Werk vom Ende der Zeit spiegelt die Ängste, Verzweiflung und Ungewissheit der Kriegsgefangenen. Und lässt doch Hoffnung durchschimmern.
Ein vorsichtiges Herantasten, dezente Triller der Klarinette und flirrendes Piano der Violine skizzieren das „Erwachen der Vögel“. Sie gehen dem Erscheinen des Engels voran, der das Ende der Zeit verkündet. Mit Klavierakkorden, die wie Donnerschläge hallen, kündigt er sich an. Es folgt eine Szene unendlicher Einsamkeit. Zu ostinaten Klavierklängen dehnen die Streicher eine tonarme Melodie. Die Zeit rinnt ihnen buchstäblich durch die Finger. Das in diesem Satz auf ein Trio reduzierte Ensemble beherrscht die Kunst, diese Langsamkeit nicht langweilig wirken zu lassen. Ebenso wie Philipp Epstein in seinem folgenden Klarinetten-Solo. Er scheut sich nicht, das Tempo bis fast zur Unerträglichkeit zu reduzieren, wenn er ein Crescendo wie aus dem Nichts entfaltet. Manuel Lipstein interpretiert sein Cello-Solo zum „Lob auf die Ewigkeit Jesu“ mit ähnlicher atmosphärischer Dichte. Aus seinem Part steigt jedoch eine leise Zuversicht empor.
von Anke Schwarze, erschienen bei WernePlus