Wettstreit mit Teufel: Anhaltender Applaus für Strawinsky-Inszenierung
Werne. Musik erzählt Worte weiter, Worte zerfallen in Sprechgesang. Schauspiel und Klänge lösen sich ab: Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ fügt sich nicht in gängige Kategorien wie Oper oder Theater. Es ist ein eigenwilliges Stück, mit dem das Trio Schmuck und der Schauspieler Gerald Friese beim vergangenen Konzertabend der Musikfreunde Werne das Publikum faszinierten.
Der schnelle Wechsel von Rhythmen und Stimmungen erforderte von allen vier Künstlerinnen und Künstlern höchste Konzentration. Mit der gleichen gespannten Aufmerksamkeit verfolgten die Zuhörerinnen und Zuhörer am Donnerstag (18. Januar 2024) im ausverkauften Foyer der Marga-Spiegel-Schule das märchenhafte Geschehen. Allerdings ein Märchen mit traurigem Ausklang.
Igor Strawinsky verfasste es 1917, zusammen mit dem Dichter Charles-Ferdinand Ramuz, während der Erste Weltkrieg tobte. Durchaus aggressiv geht es auch im Stück zu. Die Handlung lässt sich auf einen Wettstreit zwischen dem Soldaten und dem Teufel zuspitzen. In dem Maße, in dem der eine über den anderen die Oberhand zu gewinnen versuchte, rieben sich die Instrumente – Klarinette (Sayaka Schmuck), Violine (Lisa Schumann) und Piano (Benyamin Nuss) – aneinander auf.
Gedacht war das Werk ursprünglich für eine Wanderbühne, vorzutragen von Schauspielern und einem kleinen Orchester im Stil einer Moritat, also einer von Bänkelsängern vorgetragenen Schauerballade. Das Trio Schmuck dampfte die Zahl der Interpreten etwas ein – auf seine drei Instrumente und einen Darsteller – ohne dass ihre Interpretation an Intensität einbüßte. Gerald Friese agierte, wie ein Bänkelsänger es tun muss: Aufmerksamkeit heischend, mit greller Figurenzeichnung.
Sein Teufel nahm, wie es sich für einen verschlagenen Höllenfürsten gehört, verschiedene Posen ein. Wie es jeweilige Lage eben erforderte: Als duckmäuserischer Händler luchste er dem Soldaten dessen geliebte Geige ab, als weibische Alte spann er eine Intrige, als hyperaktiver Trunkenbold ließ er sich beim Kartenspiel über den Tisch ziehen. Nahtlos wechselte Friese dazwischen in die Rolle des Soldaten. Überzeugend verkörperte er den Wandel von frohgemuter Naivität zu tiefer Verzweiflung. Der Teufel bezahlte die Geige mit einem Buch, das wirtschaftliche Entwicklungen voraussagt. Auf diese Weise erzielte der Soldat ein Vermögen. Für Friese die Gelegenheit, das Gebaren marktschreiender Börsenmakler zu karikieren.
Die Musikerinnen und Musiker taten es ihm gleich. Da trottete das Piano zu Beginn mit dem Soldaten durch eine Landschaft, die von der Klarinette idyllisch gezeichnet wurde. Dazu erklang ein etwas schräges Geigenspiel: Die Violine des einfachen Soldaten war schließlich nicht ganz ordentlich gestimmt. Später, als der Soldat trotz seines Geldes immer einsamer wird, sinnierte die Klarinette, klagte die Geige, probierte das Klavier zaghafte Schritte in einem emotionalen Gefängnis. Sehr bedacht und behutsam wurde das von Schumann, Schmuck und Nuss interpretiert.
Immer wieder tauchte das anfängliche Schlendermotiv auf. Es wurde abgehackter, je mehr der Soldat verzweifelt. Dann wieder begab er sich federnden Schrittes zum Königshof, wo die Hand einer Prinzessin winkt. Strawinskys Komposition spielt mit folkloristischen und jazzig klingenden Versatzstücken. Deren zuckende, nervöse Unruhe steigerte sich zum Schluss, als der Soldat dem Teufel vollends anheimfällt.
Eingerahmt wurde die Geschichte von zwei Stücken des Tango-Meisters Astor Piazzolla. Der Frühling aus seinen „Vier Jahreszeiten“ stand auf dem Programm. Geschmeidig glitten Geige und Klarinette auf dem glänzenden, fest gefügten Parkett der Klavierbegleitung. Das zweite Stück, der „Herbst“ aus dem gleichen Werk, gab das Trio Schmuck als Zugabe nach anhaltendem Applaus des Publikums.
von Anke Schwarze, erschienen bei WernePlus